Werke von Ernst Riegel in der Friesoyther Michaeliskirche

Im Frühjahr erreichte uns eine Anfrage von Frau Dr. Dörte Folkers, ob wir uns am Tag des Offenen Denkmals mit den Arbeiten von Ernst Riegel beteiligen wollten. Er hätte in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag.

Glücklicherweise teilte sie uns auch gleich mit, dass unsere Kirchengemeinde einen Abendmahlskelch, eine Patene und eine Abendmahlskanne in ihrem Besitz habe. Da diese Stücke seit Jahren gut verwahrt sind, war der Hinweis wichtig, sonst hätten wir gar nicht gewusst, wonach gesucht werden muss. Sie werden seit vielen Jahren nicht mehr für das Abendmahl in der Michaeliskirche verwendet.

 

Nach einigen Recherchen stellte sich heraus, dass bereits in den 90er Jahren unser Abendmahlsgerät in einer Ausstellung in Darmstadt präsentiert wurde und Pfarrer Uwe Löwensen, damals Pfarrer in Friesoythe, dort eine erstaunliche Entdeckung machte: Plötzlich stand er vor „unserem“ Altarleuchter, was nicht sein konnte, denn der war in Friesoythe geblieben. So stellte sich heraus, dass auch dieser aus der Hand des Goldschmiedes stammte, was leider auch wieder etwas in Vergessenheit geraten ist.

 

Wer war nun dieser Ernst Riegel?

 

Frau Dr. Folkers, Mitglied des Ortskuratoriums Wiesbaden, schreibt:

 

Der Goldschmied Ernst Riegel arbeitete 1906 – 13 an der Künstlerkolonie Mathil-denhöhe in Darmstadt, seit kurzem zum Welterbe der UNESCO erklärt. In dieser Zeit schuf er Sakralgerät für mehr als dreißig evangelische Gemeinden. Die evangelische Kirchengemeinde Friesoythe erhielt für die Michaeliskirche aus Riegels Werkstatt 1910 ihre Abendmahlskanne und ihre Patene aus Messing, vorher bereits den Abendmahlskelch. Aus dem Jahr 1910 stammt auch der schmiede-eiserne Altarleuchter Riegels.

Großherzog Ernst Ludwig von Hessen war kunstorientiert. Er erließ 1902 in Hessen das erste Denkmalschutzgesetz für ein Land und veranlasste seine Bezirksdenkmalpfleger, in den Kirchengemeinden auf die Anschaf-fung künstlerisch wertvollen Sakralgeräts hinzuwirken. Riegel bot diesen neben Geräten aus Silber seit 1907 auch Entwürfe aus Messing an als kostengünstige Alternative. Seltener als das Silbergerät sind sie erhalten, der Bestand in Friesoythe ist daher ein wichtiges Zeugnis. Zum Altar-leuchter existiert in einer hessischen Gemeinde ein Gegenstück, das Schmiedeeisen als Werkstoff verwendete Riegel jedoch sonst eher in Gittern, in und an Bauten. Bisher ist nicht bekannt, wie es zu einem Auftrag aus Friesoythe an den Künstler kam.

 

Das Ortskuratorium Wiesbaden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz befasst sich seit 2020 mit den Arbeiten Riegels, weil er für die Evangelische Lutherkirche in Wiesbaden Altargerät, Bibeleinband, Radleuchter und Antependien entwarf. Unter

https://www.denkmalschutz.de/ueber-uns/ortskuratorien/ortskuratorium-wiesbaden/veranstaltungen.html ist darüber ausführlich zu sehen und zu hören, eine reich bebilderte Broschüre ist bei der Gemeinde erhältlich. In dem Video ist auch eine kurze Beschreibung des Lebens und Werkes von Ernst Riegel zu finden.

 

In der Folge recherchierte das Team im Ortskuratorium, in welchen an-deren Kirchengemeinden Riegels Werke zu finden sind und erarbeitete in Zusammenarbeit eine Präsentation für den Tag des offenen Denkmals am 12. September 2021. Mehr als dreißig Gemeinden beteiligen sich. In von Frau Dr. Folkers zusammengestellten Kurzvideos werden die Werke der jeweiligen Gemeinden vorgestellt. Abzurufen sind sie unter dem Stichwort „150 Jahre Ernst Riegel“ unter www.tag-des-offenen-denkmals.de.

Ein Überblick über das Gesamtprojekt ist dann unter diesem Stichwort als Vortrag von Frau Dr. Dörte Folkers abzurufen:

https://www.youtube.com/watch?v=_siTnLkxzfE&ab_channel=DeutscheStiftungDenkmalschutz

 

(Grundlage des Textes bilden Ausführungen von Frau Dr. Dörte Folkers, Wiesbaden)

Aus der Geschichte unserer Kirchengemeinde

Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind die Stücke zur Einweihung der ersten Kirche in Friesoythe 1912 in die Gemeinde gekommen. Näheres konnte bisher leider nicht ermittelt werden. Damit mussten sie über zwei Weltkriege und zwei Kirchenbrände gerettet werden. Der da-malige Pfr. Rudi Meyer hat vorne in der Altarbibel von der Rettung berichtet:

 

Diese Altarbibel befand sich bei Gründung der Kirchengemeinde 1935 in der Kapelle in Friesoythe, dort wahrscheinlich bei der Einweihung 1912 gestiftet. 1945, am 15. April, dem Sonntag Misericordias Domini nahm ich die Bibel zu meiner persönlichen Benutzung aus der Kirche, als feindliche (kanadische) Truppen das Pfarrhaus in Brand gesetzt hatten und ich und meine Familie nichts, nicht einmal eine Bibel, gerettet hatten. Eine Stunde später wurde auch die Kirche angezündet und mit allem Inventar, bis auf die im feuersicheren Schränkchen in der Wand der Sakristei untergebrachten Abendmahlsgeräte, ein Raub der Flammen. So wurden die Bibel und das Abendmahlsgerät als Einzigstes aus dem Besitz der Kirchengemeinde gerettet, die im übrigen alles (Kirche, Pfarrhaus, Kirchen-bücher, Akten, Rechnungsbelege u.s.w.) einbüßte. Alles Äußere (Gebäude, Orgel, Glocke,Talar, Papiere) ging verloren. Nur diese Bibel und der Kelch blieben: Wort und Sakrament!

Außerdem blieb ein großer schmiedeeiserner Altarleuchter, der zugleich das Kruzifix enthält, von der ersten Ausstattung der Kirche 1912 erhalten, weil er zur Zeit in einer Kapelle in Edewechterdamm benutzt wurde. Diese Kapelle fiel auch den Kämpfen zum Opfer und der Leuchter, der erhalten blieb, kehrte nach Friesoythe zurück.“

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